Die Prachtausstellung der Königlichen Gartenbaugesellschaft (RHS – Royal Horticulture Society), die bereits seit über 200 Jahren besteht, ging am 28. Mai zu Ende.
Die RHS zeigt auf Ihrem eigenen Stand nicht nur die mehr als zweihundert jährige Geschichte auf, vielmehr sind alle Aktivitäten der Gesellschaft, wie Betrieb von Schaugärten und Forschungsanlagen, die Forschung zu Biodiversität bis hin zur aktiven Anleitung für Neueinsteiger ins Hobbygärtnern, präsentiert.
Mit der Ausstellung ist England klar Trendsetter im Bereich Haus- und Freizeitgärtnern. Als aktuelle Themen werden präsentiert:
Biodiversity – Gärtnern als Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt von Flora und Fauna
Urban Food Production – Gärtnern in der Stadt mit eigenem Obst- und Gemüseanbau
Urban Greenspace – Grünräume und Gärtnern in der Stadt als aktive Gesundheitsvorsorge
Diese Punkte sind in den 36 Ausstellungsbeiträgen/Show Gardens auch klar ablesbar. Ob sich mit den bereits bekannten Dach- und Fassadenbegrünungen ein nicht unbedingt neuer, aber im Stadtbild noch nicht durchgesetzter Trend weiterführt oder sich mit artenreichen, natürlichen Staudenpflanzungen immer mehr Beiträge in lockerer, freier Durchmischung darstellen – das ist nicht das alte Viktorianische England, nein, das ist frisch, anregend und mitreißend.
Natürlich trägt die BBC mit ihrer Berichterstattung, täglich einer Stunde Sendung über die fünf Ausstellungstage zuzüglich der Sonderberichte, zum Anfeuern des Gartenfiebers bei. Vollkommen frei von scheinheiliger Schleichwerbung, wird dort Leistung von Aktiven anerkannt. Nicht mit riesigen LOGOS und Geschrei, dafür sorgen schon die britisch zurückhaltenden Vorgaben der gemeinnützigen und mit vielen freiwilligen Helfern arbeitenden Gartengesellschaft. Denn eines ist klar: sowohl von den idealistischen Gärtnern und Planern auf dieser Insel, als auch von der Schar an Interessierten, die die begehrten und limitierten Karten erhaschen, lebt diese Show.
Die 17 großen Schaugärten bedürfen für die paar Tage dann auch 200.000 – 500.000 Pfund, sprich bis zu 620.000 Euro. Dieses wird von großen Sponsoren, wie der TIMES oder der DAILY MAIL und anderen, getragen.
Mein persönlicher Favorit bei den großen Gärten war ein Goldmedaillengewinner. Der Laurent-Perrier Garten, von Luciano Giubbilei geplant und in dieser Partnerschaft auch nach 2009 wieder Gewinner, lehnte seine Gestaltung an einen Rosé- Champagner an. Dies begeistert nicht nur mit meisterlich bearbeiteten, rosafarbenen Granitskulpturen oder feinen, fast prickelnden Wasserelementen.
Gerade das elegante Spielen mit den Elementen im Garten, gleich einem frohlaunigen Champagner an einem sonnigen Nachmittag, erreicht den, der trotz des umgebenen Trubels dafür wach ist. Da schweift der Wind durch die Gräser der luftigen Staudenpflanzung und bewegt gelagerte Paravents des Pavillons. Eben diese Pflanzung aus dem Rosé von Astrantia ‚Roma‘, Papaver ‚Harlem‘ und Salvia ‚Rosa Queen‘ im Kontrast mit Iris ‚Dutch Chocolate‘ und Verbascum ‚Cherry Helen‘ ist neu und erfrischend. Hier sieht man eine Staudenmischpflanzung in artenreicher Abstufung und gestalterischer Ausformung. Eine sofortige Anregung für eine neue Mischung.
Wir wären nicht in England, wenn der Kontakt unter den Königshäusern auch hier nicht wirksam würde. So wurde der Beitrag von Prinz Albert von Monaco von der BBC auch kräftig promotet und dies machte beim Publikum mit dem durchaus sichtbar vorhandenen Budget auch Eindruck. Doch wofür benötigt man zwei Leitern an einem Erfrischungspool fast nebeneinander? Oder was hat man von einem Wasserspiel, das man selbst auf der eigenen Terrasse kaum hört, geschweige denn sehen kann?
Selbst die Pflanzung in diesem Beitrag ist nicht neu oder herausragend, oder was ist so außergewöhnlich an einer Dachbegrünung, die rein aus Lavendel besteht? Doch BBC hat seine Wirkung und selbst sonst so kritische Kollegen werden davon mitgerissen.
Der M&G Garten
Da sieht man wieder, wie Planzeichnungen täuschen können. Erschrocken von einer im Katalog aufgeführten Zeichnung stellt sich die Frage, ob der Beitrag vermeintliche Louis XIV- Nachfolger mit dem französisch anmutenden Design begeistern soll. Doch was für eine Überraschung bietet der tatsächliche Garten. Die Linienführung ist durchaus barock, fast einem Parterre mit großen Kübeln gleich. Doch die Bepflanzung folgt mit wucherndem Gemüse und Obstbäumen dem zeitgemäßen Gedanken der Urban Food Production. Oder ist es doch Marie Antoinette, die hinter Gurken der perfektionierten Weidenhochbeete kichert?
Die TIMES hat es gefunden!
In Zusammenarbeit mit dem Königlich Botanischen Garten von Kew hat Marcus Barnett, der von Russland bis in die Dominikanische Republik gebucht wird, den The Times Eureka Garden designt und darin ausschließlich Pflanzen mit mehrfachem Nutzen, ob im Großen für Kleidung oder im Kleinsten für Arzneiwirkstoffe, verwendet. Neben einer ausführlichen Pflanzenliste erhält man mit dem liebevoll gestalteten Faltblatt des Standes auch die ersten wissenschaftlichen Informationen. Mehr gibt es natürlich zu lesen in der Maiausgabe von Eureka, dem Wissenschaftsmagazin der TIMES. Auch in diesem Garten bestätigt sich: Staudenmischpflanzungen liegen im Trend und die Farben erinnern schon an bekannte Mischungen.
Was für eine Pflanzung!
Wild geht es zu, auch hier im Garten von The Daily Telegraph. Cleve West spielt mit dem Thema des Senkgartens und modernen Materialien. Sind aber Säulen aus farbigem Beton wirklich gleich das Echo von Gärten der Antike?
Der Beitrag Main Avenue Nummer 9 meint es dann doch für die meisten Besucher zu wild und die Blumenwiese ist am vierten Ausstellungstag schon sehr in Mitleidenschaft gezogen. Ebenso wild, aber dennoch „stylisch“, kommt der RBC New Wild Garden von Nigel Dunnett daher. Die Kombination von ökologischen Materialien, deren skulpturale Verwendung und eine weiterentwickelte Pflanzenverwendung von William Robinson, Gärtner der Kunstgewerbebewegung der Jahrhundertwende, ist innovativ.
So richtig auf die Pauke haut dann doch die Irische Tourismusgesellschaft! Ja, die größte Fläche muss es sein – um den britischen Tourismusmarkt bemüht sich die Nachbarinsel sehr, „Selbst die Queen und Obama waren kürzlich bei uns!“ Und ja, ein Kran, ein Kran, die irische Seeluft wird in luftiger Höhe des Sky Garden sicher bis nach London geweht. Prächtig große Pflanzen, Buxus, Taxus in den rundesten Formen, Bäume und große Gräser, doch die Art der Gestaltung und Pflanzenverwendung erinnert mehr an die ausgehenden 90er Jahre. Autsch, zu laut.
Der OBI der Britischen Insel – B&Q gleich in Nachbarschaft wartet auch mit einer Materialschlacht auf. Doch das geradlinige Design, phantastische Hochbeete und ein Turm mit Fassadenbegrünung geben ein schlüssiges und urbanes Konzept wieder. Eine Fünf-Tage- Show ist dann doch ein Platz, an dem man lauter trommeln muss, um im geschäftigen Alltag des restlichen Gartenjahres noch in Erinnerung zu bleiben.
Kuriositäten gab es natürlich auch zu bewundern und zu kaufen: schwierige Farb- und Materialkombinationen, übergroße Glaspflanzen, die weltgrößten Narzissen oder mehr als zehn verschiedene Farben von Arbeitshandschuhen für die gärtnernden Samthände passend zum Sommerkleid.
Und kaufen kann man auch das, was eine wahre Gartennation nur hervorbringen kann. Bestes und nützlichstes Werkzeug. Ob verschiedene Scheren, eben auch für Stauden, Pflanzschaufeln für den Steingarten, Rasenkantenschneider oder die Leitern, die man bei uns vergeblich sucht – diese, auf denen man drei Meter hohe Hecken auch alleine und trotzdem sicher schneiden kann.
Wer zeitig kommt – acht Uhr öffnet die Ausstellung – der kann sie noch besser orientieren, da es noch leer ist und mit einem Kollegen der 4x5m großen Kunsthandwerkergärten einen kurzen fachlichen Austausch führen. Liebevolle und aufwendige Detailarbeit steckt in den sieben Beiträgen – eine harte Aufgabe für die kleinen Betriebe, die dies als Schaufenster für ihre Tätigkeit nutzen. Die „Postkarte aus Wales“ war dort der diesjährige Goldmedaillengewinner.
Diese Ausstellung ist mit Landes- oder Bundesgartenschauen nicht zu vergleichen, schon weil die Präsentation auf Tage beschränkt ist. Wer aber ein modernes Britannien sehen möchte, der bekommt hier einen Eindruck davon. Karten kauft man einfach und möglichst sechs Monate vorher im Internet.